"30jähriges Bestehen der Freiwilligen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz"

Schwanheimer Zeitung (Schwanheimer Anzeiger), 18. April 1923.

Einleitung

In einfacher, würdiger Weise, ganz wie es dem Wesen einer Sanitätskolonne entspricht, beging am vergangenen Samstag und Sonntag [14. und 15. April 1923] die "Freiwillige Sanitätskolonne" die Feier ihres 30jährigen Bestehens, zumal ihr nicht vergönnt war, infolge des Weltkrieges ihr Silbernes Jubiläum feiern zu können. Die Anteilnahme an diesem Feste, das sich in unserer "Schwanheimer Festhalle" abspielte, war von seiten der Einwohnerschaft eine sehr gute. Und am Sonntag, als sich noch viele auswärtige Kolonnen zusammengefunden hatten, um gemeinsam das Jubelfest zu begehen, da erwies sich unsere Turnhalle wieder einmal als zu klein.

Jubiläumskommers

Eingeleitet wurde die Jubiläumsfestlichkeit von einem Jubiläumskommers. Festlich grüßte das Auge des Besuchers die Halle, die zur Feier des Tages mit Tannengrün und Sinnsprüchen dekoriert war, und bei magischer Beleuchtung einen schönen Effekt erzielte. Das Klavier-Quartett Schwanheim, dem während des ganzen Festes die Festmusik oblag, entledigte sich seiner Aufgabe in sehr schöner Weise. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag wurde den Darbietungen des jungen Quartettes, das zu allen Hoffnungen berechtigt, lebhafter und wohlverdienter Beifall gespendet. Kolonnenführer Helfrich hielt alsdann eine kernhafte Begrüßungsansprache, dankte der Einwohnerschaft und den Vereinen für ihre bereitwillige Unterstützung und Mitwirkung. Nicht minder dem Ehrenausschuß für seine in so großzügiger Weise zur Verfügung gestellten Unterstützung. Die Tochter des Kolonnenführers, Fräulein Ria Helfrich, sprach alsdann mit guter Betonung in kräftiger Stimme und Ausdruck einen Prolog, dem lebhafter Beifall gespendet wurde. Herr Karl Hölzchen hielt hierauf eine Festrede. In großangelegter Rede schilderte er den Werdegang der Kolonne von ihrer Wiege bis zum heutigen Tage. Und daß sie in unserer Heimatgemeinde des öfteren sich bei allen Festlichkeiten stets hilfsbereit zur Verfügung stellte, sei nebenbei erwähnt. Ihre Feuertaufe bekam die Kolonne bei dem Explosionsunglück 1901 in Griesheim. Kurz darauf leistete sie wertvolle Hilfe beim Eisenbahnunglück in Kelsterbach. Beim Deutschen Turnfest 1909 in Frankfurt zog man die Kolonne ebenfalls heran, wie sie auch des öfteren um Uebernahme des Dienstes bei größeren Rad- und sportlichen Veranstaltungen gebeten wurde. Da kam der Weltkrieg. Im Dienste des "Roten Kreuzes" als auch im Heeressanitätsdienste zog der größte Teil der Mitglieder ins Feld. Nicht alle kamen sie zurück. Mehrere Mitglieder mußten auf blutiger Wahlstatt ihr junges, hoffnungsvolles Leben lassen. Aber ewig wird ihr Andenken hochgehalten werden. In der Sanitätswache in der alten Schule, die neu eröffnet, hat man eine Gedenktafel zum ewigen Andenken errichtet. Dank dem Opfersinn der Einwohnerschaft konnte die Kolonne im vergangenen Jahre Krankenpflegeartikel anschaffen, die jetzt jedermann, der sie braucht, ohne Ansehen des Standes, der Person oder Partei, verliehen werden. Eine Pflicht des Dankes sei es, wenn die Kolonne heute wohlverdienten Mitgliedern, die sich gleich nach der Gründung den idealen Bestrebungen anschlossen, gedenke. Es seien dies die Herren Heinrich Becker, Valentin Henrich und Hugo Reuß. Mit Genugtuung könne die Kolonne auf die verflossenen Jahre zurückblicken; mit der Bitte, der Kolonne auch fernerhin ein freundliches Wohlwollen zu erhalten, schloß Redner, dessen Ausführungen lebhafter Beifall gespendet wurde

Entgegennahme von Glückwünschen

Alsdann begann die Entgegennahme von Glückwünschen, die beredtes Zeugnis ablegte von der Beliebtheit, deren sich die Kolonne in hiesiger Gemeinde erfreut. Fräulein Steigerwald überreichte namens der Frauen und Jungfrauen eine Ehrengabe, desgleichen Herr J.W. Merz namens des Ehrenausschusses. Ein ungenannter Spender, dessen Name nicht veröffentlicht werden soll, stiftete 100000 Mark. Glückwunschschreiben wurden verlesen von der Gemeinde und dem Zentralverband, der außerdem eine Ehrengabe in Form von Krankenpflegeartikel gestiftet hatte, dem Arbeitergesangverein "Liederblüte", dem Arbeiterturnverein. Der Katholische Jünglingsverein, die "Concordia", das Gesangsquartett "Teutonia", der Turnverein überbrachten Ehrengaben in Form von namhaften Geldbeträgen. Für all diese Ehrungen dankte der Kolonnenführer in herzlichen Worten, mit dem Gelöbnis, alle Beträge zum Ausbau der Kolonne zu verwenden. Die Ehrung des noch einzigen am Leben weilenden Gründers, des Herrn Gastwirt Johann Kittel aus Kelsterbach, konnte nicht stattfinden, da der Jubilar in letzter Stunde durch Unpäßlichkeit verhindert war, der Feier beizuwohnen. Die Ehrung wird, wie der Kolonnenführer bekannt gab, bei Herrn Kittel in Kelsterbach vorgenommen werden. Damit hatte der 1. Teil, die akademische Feier, ihr Ende erreicht.

Kommers

Den nachfolgenden Kommers eröffnete ein Musikvortrag, dem sich das Gesangsquartett "Teutonia" mit zwei Chören anschloß, und damit unter Leitung seines Dirigenten, Herrn Lehrer Wintermeier-Höchst, sein erstes offizielles Auftreten feierte. Die Sanitätskolonne ließ hierauf einen hübschen Dreiakter "Die Sanitätskolonne" über die Bretter gehen, der äußerst flott und temperamentvoll von den einzelnen Darstellern wiedergegeben wurde. Lebhafter Beifall wurde diesen Mitwirkenden gespendet. Musikvorträge lieferten noch der Hum. Musikverein "Fidelio", der Wanderklub "Frisch auf". Der Turnverein zeigte turnerische Darbietungen am Barren, die Turngemeinde am Reck. Der Gesangverein "Concordia" und das "Doppelquartett 1918" verherrlichten die Feier durch Liedervorträge. Einen würdigen Abschluss des ersten Festtages bildete das Lebende Bild, gestellt von der Freiwilligen Sanitätskolonne. Wohl selten dürfte ein Künstler eine solche malerische Truppe zusammengebracht haben, wie sie uns am Samstag vor Augen geführt wurde. Hierfür gebührt unserem heimischen Künstler Hans Belz alle Ehre und Anerkennung. Herr August Gräser hatte hierzu einen Prolog verfaßt, der auch von ihm selbst lebhaft vorgetragen wurde und stürmischen Beifall erntete. So fand der erste Festtag einen würdigen Abschluß.

Gedächtnisgottesdienst

Der Festsonntag wurde durch einen Gedächtnisgottesdienst für die gefallenen und gestorbenen Mitglieder in der katholischen Kirche eingeleitet. Herr Pfarrer Hartleib hielt zu Beginn des Gottesdienstes eine tiefergreifende Gedächtnisrede, die sichtlich einen tiefen Eindruck hinterließ. Der Marienverein verherrlichte den Gottesdienst durch einen Vortrag mehrstimmiger Lieder.

Gedächtnisfeier

Anschließend an den Gottesdienst fand auf der Sanitätswache eine Gedächtnisfeier statt, zu der sich die Kolonne, der Ehrenausschuss und sonstige Einwohner recht zahlreich eingefunden hatten. Würdevoll wurde die Feier durch ein Harmoniumspiel "Largo" von Händel, durch Herrn Jakob Diener eingeleitet. Nach einem Prolog hielt der Kolonnenführer Helfrich die Gedächtnisansprache. In schönen Worten pries er das Wirken der gefallenen Kameraden mit dem Gelöbnis, das Andenken dieser treuen Helden in steter Erinnerung zu halten. An der schon vor einiger Zeit enthüllten Gedenktafel, die aus dem Atelier des Herrn Johann Wachendörfer stammt, brachte hierauf Herr Karl Halter mit Worten des Dankes einen Lorbeerkranz mit Widmung an. Die Gedenktafel selbst trägt folgende Namen gefallener Helden: Ferd. Acht, Josef Diefenhardt, Anton Gaubak, Leopold Petermann und Karl Wachendörfer. Ein Harmoniumspiel "Ave Maria" bildete den Abschluß dieser würdigen Feier.

Jubiläumsfeier

Die Jubiläumsfeier am Nachmittage hatten Massenbesuch aufzuweisen. In großer Zahl waren die Vertreter auswärtiger Kolonnen mit Angehörigen erschienen, nicht minder die Einwohnerschaft Schwanheims. Mit kurzer Verspätung wurde die Veranstaltung eröffnet durch einen Musikvortrag, dem sich die Begrüßung der auswärtigen Kolonnen durch den Kolonnenführer anschloß, nachdem zuvor Fräulein Helfrich den bereits am Tage zuvor schon einmal gesprochenen Prolog wiederholt hatte. Bei der nachfolgenden Gratulationskour überbrachten Glückwünsche der Bürgerverein, Marienverein, Fußballklub Germania, der am Sonntag mit seiner 1. Mannschaft ein Wohltätigkeitsspiel zugunsten der Sanitätskolonne ausführte, und Herr San.-Rat Dr. Schwerin-Höchst. Frau Josef-Raab geb. Halter überreichte Namens eines ungenannten Gönners ein Geldgeschenk, desgleichen der Gesangverein "Sängerlust". Weitere Glückwünsche überbrachten die Sanitätskolonne Rödelheim, der Kreisverband der Sanitätskolonnen im Kreise Höchst, die Kolonnen Unterliederbach, Sindlingen-Zeilsheim, Griesheim, Flörsheim und Höchst, der Provinzialverband, Reichsverband und Freiw. Sanitätskolonne Frankfurt, ebenso die Turngemeinde. Kolonnenführer Helfreich dankte allen Gratulanten in schönen Worten. Herr Dr. med Neumann hielt hierauf einen Festvortrag über "Heilwesen in alter Zeit". Leider litt gerade dieser interessante Vortrag unter der Unruhe des Publikums, dem scheinbar eine solche Nummer bei einer Festveranstaltung nicht angenehm war. Der sich hieran anschließende Kommers brachte die Vereine auf den Plan, die am 1. Festtag nicht zur Mitwirkung herangezogen wurden. Die Gesangvereine Sängervereinigung "Liederkranz-Frohsinn", der Gesangverein "Sängerlust", der mit seinem neuen Dirigenten Herrn Chorleiter Eugen Imhoff zum ersten Male vor die Öffentlichkeit trat, das Männerquartett "Eintracht" und der Arbeitergesangverein "Liederblüte" bestritten den gesanglichen Teil, der Arbeiterturnverein zeigte mit seiner Schülerabteilung Vorführungen, der Ring- und Stemmklub Ringkämpfe. Der Arbeiter-Radfahrerverein stellte wohlgelungene Pyramiden, während der Wanderklub "Frisch auf" mit Musikstücken aufwartete. Mitglieder der Kolonne und des Quartetts "Teutonia" spielten noch flott ein Theaterstück "Eine verhängnisvolle Theaterprobe. Das Publikum erwies sich beifallsfreudig bei allen Vorträgen. Gegen 8 Uhr hatte auch die Hauptveranstaltung ihr Ende gefunden.

Schlußfeier

Als Abschluß des Festes fand am Abend im oberen Lokale der "Turnhalle" eine kleine Schlußfeier statt, die sich ebenfalls guten Zuspruchs erfreuen durfte. Manches schöne Wort wurde gesprochen, und mancher Witz vom Stapel gelassen. Das Klavier-Quartett und das Gesangs-Quartett "Teutonia" verherrlichten den Abend durch Musik- und Liedervorträge.

Nachwort

So verlief das Fest in der schönsten Weise und dürfte jedenfalls noch allen Teilnehmern in recht angenehmer Erinnerung bleiben. Mit Stolz und Genugtuung aber darf die Sanitätskolonne auf die Feier ihres 30jährigen Bestehens zurückblicken. Hat sie gezeigt, dass auch sie neben dem ernsten Streben, das sie verfolgt, wenn es gilt Feste feiern kann. Jedenfalls dürften die auswärtigen Festgäste mit Freude konstatiert haben, daß die ganze Gemeinde mit ihren Vereinen restlos hinter der Kolonne gestanden und somit dazu beigetragen hat, die Feier in einfacher aber würdiger Weise zustandezubringen. Der hohe finanzielle Erfolg der ganzen Veranstaltung dürfte die Kolonnen in den Stand setzen, unseren kranken, notleidenden Mitmenschen ihre Stunden der Krankheit zu erleichtern und somit das wahr zu machen, was Schwanheim am Sonntag so viel zu hören bekam, nämlich den Ausspruch: "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut".

Unterstützen Sie jetzt ein Hilfsprojekt mit Ihrer Spende Spenden